Die am stärksten verfolgte Minderheit weltweit
Diskriminierung, Unterdrückung, Gewaltexzesse, Misshandlungen, Verfolgung, Vertreibung, Massenmord und Flucht
Diese Begriffe kann man alle auf die gegenwärtige Situation der Rohingya, einer muslimischen Minderheit in Myanmar, beziehen. Es handelt sich um Menschen, die als ethnische Gruppe und Staatsbürger in Myanmar nicht anerkannt sind. Sie werden in ihrem eigenen Land als „Bengalis“ bezeichnet (als Ausdruck dafür, dass sie nicht zu Myanmar gehörten) und werden systematisch verfolgt. Sie gelten aus aktuellen Berichten als die am stärksten verfolgte Minderheit weltweit.
– Warum hören und erfahren wir hierzulande so wenig von ihnen?
Die Rohingya in Myanmar oder auch die Uiguren in Xinjiang haben keinen Dalai Lama, der ihre Interessen im Westen vertritt. Sie sind den meisten von uns völlig fremd.
Myanmar (allgemein auch als Birma oder Burma bekannt), war bis 1948 unter britischer Kolonialherrschaft und litt von 1988-2010 unter eine Militärdiktatur. Das im Westen berühmteste Gesicht Mynmars ist das der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Die Einwohnerzahl beträgt ca. 51 Mio. 87% der Bevölkerung gelten als buddhistisch, 3,6% als muslimisch. Auch die ca. 5,6% Christen sollen laut einem Regierungsprogramm (2007) systematisch vertrieben werden.
Flüchtlingsorganisationen berichten von systematischer Verfolgung und Flucht der Rohingya (z.B. nach Bangladesch, Malaysia, Thailand oder Indonesien). Mindestens 18.000 Angehörige der Rohingya sind vor der jüngsten Gewaltwelle in Myanmar nach Bangladesch geflohen. Die türkische Regierung hat Bangladesch um Aufnahme aller Flüchtlinge gebeten und die Übernahme aller Kosten versprochen (http://www.haberturk.com/dunya/haber/1617558-disisleri-bakani-mevlut-cavusoglu-ndan-arakan-aciklamasi).
Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres flüchteten nach Schätzungen von Menschenrechtlern fast 29.000 Menschen mit Booten aus dem südostasiatischen Land.
Nach Mynamar fließen jährlich auch zweistellige Millionenbeträge aus deutschen Steuertöpfen. (siehe https://www.welt.de/politik/deutschland/article141613052/Darf-Birma-noch-deutsche-Hilfszahlungen-erhalten.html). Dies wird nun kritisch überdacht.
„Kauft nicht bei Muslimen!“ und „Lasst nur Buddhisten in eure eigenen Geschäfte!“
In indonesischen und türkischen Medien wird über die Rohingya sehr viel berichtet. Hierzulande bekommen die Rohingya oder Meldungen aus Myanmar keine Titelseiten, trotz des Ausmaßes der großen humanitären Katastrophe.
Allerdings hatte das TIME Magazin in seiner Ausgabe „July 1, 2013“ folgenden Titel: „The face of Buddhist Terror“ mit dem Untertitel: „How militant Monks are fueling anti-muslim violence in Asia“. Buddhisten wehren sich jedoch genauso gegen Verallgemeinerungen, wie wir Muslime das auch mehrmals täglich tun, wenn der Islam pauschal mit Gewalt gleichgesetzt wird. Auf der Seite (https://info-buddhismus.de/Burma-Gewalt-im-Namen-des-Buddha.html) heißt es zu dem Mönch Ashin Wirathu, der der bekannteste Mönch Burmas sei und unter der Militärregierung wegen seiner anti-muslimischen Aktivitäten neun Jahre im Gefängnis gesessen habe:
„Durch seine Hasstiraden und Verschwörungstheorien trägt er nicht unwesentlich dazu bei, den Konflikt weiter zu schüren. Medial bestens vernetzt, beschwört er eine drohende Islamisierung des Landes, die für ihn Gewalt seitens der Buddhisten als Gegenwehr legitimiert…“
Umfrage über verfolgte Minderheiten?
Was würde eine Umfrage über unsere Wahrnehmung von verfolgten und vertriebenen Minderheiten in der Welt hervorbringen? Z.B. wenn wir auf der Straße 100 Personen befragen würden: „Nennen Sie mir drei der derzeit am meisten verfolgten Minderheiten?“ Würden die Rohingya und die Uiguren überhaupt vorkommen?
Unsere Wahrnehmung ist also relativ und maßgeblich von dem anhängig, worüber am meisten berichtet wird. Des Weiteren ist unsere Wahrnehmung von Identifikation und Empathie abhängig. Als ich z.B. die Dokumentation „Blue Eyed“ von Jane Elliot sah, identifizierte ich mich mit der diskriminierten Minderheit der Schwarzen in den USA. Als ich einer Beamtin, die im Bereich der interkulturellen Pädagogik tätig ist, von der Dokumentation berichtete, hielt sie sehr wenig davon, weil sie sich als Vertreterin der weißen Mehrheitsgesellschaft mit den Weißen in der Dokumentation identifizierte.
Wir sollten unsere Quellen und unsere Haltung immer neu reflektieren. Vielleicht gibt es eine noch stärker als die Rohingya unterdrückte Minderheit, die auch ich nicht wahrnehme; entweder, weil nicht oder nur nebenbei über diese berichtet wird oder weil ich mich nicht mit ihr identifiziere.
Last but not least: All jene, die nichtüberprüfte Bilder und Filmbeiträge aus anderen Ländern und Konflikten teilen und mit Rohingya und Myanmar betiteln, schaden den Opfern mehr, als sie ihnen helfen. Denn irgendwann beginnen die Menschen an nichts mehr zu glauben, weil sie überflutet werden von Fake-Nachrichten. Recherche ist ein sehr schwieriges Unterfangen. An die Lüge zu glauben, ist da viel einfacher.
Ich möchte diesen Beitrag mit zwei Zitaten beenden, die dem Kalifen Ali zugesprochen werden:
„Wenn ihr ein Unrecht nicht verhindern könnt, dann informiert wenigstens die Welt darüber“
und
„Selbst wenn du 1000 mal unterdrückt worden bist, unterdrücke du kein einziges Mal!“