Liebe Freunde,
es gab Mal einen Mann, der mit Pfeil und Bogen immer ins Schwarze traf. Die Leute fragten ihn, wie er das anstelle. Er nahm ein Pfeil aus dem Köcher, schoss damit in den Wald und ging dann mit einem Farbpinsel zu dem Baum, in dem der Pfeil steckte und markierte das Ziel.
Was will uns diese Geschichte unter anderem sagen?
Wenn ich ein ganz bestimmtes Ziel verfolge, z.B. etwas nachweisen will, dann suche ich nur nach den Quellen, die dazu passen und blende alle anderen Quellen, die mein Ziel relativieren oder widerlegen könnten, aus. Ich interpretiere alles nur so, wie es zu meinem Ziel passt und alle anderen Interpretationen, die nicht dazu passen, ignoriere ich oder erkläre sie für falsch.
Beispiel: Ich will eine bestimmte Sache für verboten (haram) erklären. Alle Koranverse und Ahadith (Überlieferungen) und Fatawa (Rechtsgutachten), die ich dazu finden kann, interpretiere ich genau in diese Richtung. Alle anderen Koranverse und Ahadith und Fatawa, die das Gegenteil aussagen, ignoriere ich. Dieses Problem tritt vor allem bei Themen auf, die Mehrdeutig sind, weil es zu ihnen keine eindeutige Quelle gibt oder weil dazu Meinungsverschiedenheiten herrschen (wie z.B. bei „Musik“). Ist z.B. das Kalifat die einzige islamisch legitime Regierungsform? Lässt der Islam andere Regierungsformen zu? Muss der Kalif Quraischit und somit Araber sein (sunnitische Sicht) oder ein direkter Nachkomme des Propheten (schiitische Sicht) oder „der beste Muslim“, wie die Khawaridj es vertreten?
Problematisch (oder ideologisch) wird es, wenn jemand, eine eindeutige Quelle, umdeuten will. Ebenso problematisch ist es, wenn jemand eine mehrdeutige Quelle eindeutig auslegt.
Habt ihr in eurem Umfeld auch Freunde, die sich irgendwann verändert haben, weil sie sich einer Person oder Gruppe angeschlossen oder einem ganz bestimmten Ziel verschrieben haben? Die ihre alten Kontakte nicht mehr wie früher pflegen und nur noch auf ihre Gruppe und ihr Ziel fixiert sind?
Welche Folgen kann die Fixierung auf eine Person, eine Gruppe oder ein ideologisches Ziel haben? Wenn man nur noch das eine sieht und alles andere um sich herum ausblendet? Was spielt sich bei einer (pathologischen) Fixierung im Gehirn ab? Eines ist offenkundig: die Wahrnehmung ist nur noch selektiv. Alles, was dem Ziel nicht entspricht, wird ausgeblendet (bewusst oder unbewusst übersehen), ähnlich wie bei verliebten Menschen.
Hier eine Analyse aus der Hirnforschung. Vielleicht hilft das ja dem einen oder anderen, seine eigene Veränderung neu zu reflektieren, wobei nicht ausgeschlossen ist, dass die Betroffenen vielleicht alles leugnen werden. Aber hier geht es um Hormone.
Diese betroffenen benehmen sich oft merkwürdig, sind nur auf das Ziel ihrer Hoffnungen fixiert. Die Symptome können fast denen einer Krankheit ähneln. Das liegt an den Hormonen. Dabei gibt es nicht nur ein Hormon, das allein verantwortlich ist, sondern eine Mischung aus mehreren Hormonen, die durch die Blutbahn fließen und regelrecht die Sinne vernebeln. Diese sind die sogenannten Botenstoffe im Gehirn. Vor allem das Belohnungszentrum im Gehirn ist aktiv, wenn man an die Verheißungen denkt. Hirnforscher vergleichen das mit dem Zustand wie in einem Drogenrausch. Der Körper produziert viel Dopamin, auch als „Glückshormon“ bekannt und die Betroffenen sind in einem Zustand des Glücks. Daher wollen sie so viel wie möglich von ihrer „Droge“ haben: der Gruppe, der Idee und allem, was damit in Verbindung gebracht wird und sie glücklich macht. Der Körper stößt dabei mehr Adrenalin und Cortisol aus. Stresshormone machen den Menschen impulsiver und vor allem auch aktiver für die Sache (das Ziel). Ergebnis: gestörte Konzentration.
Dabei spielen mehrere Hirnregionen zusammen. Zum Beispiel ist der Hypothalamus aktiv, wo das Verlangen und die Sehnsüchte sitzten. Bei den Betroffenen sind die gleichen Gehirnregionen wie bei Suchtkranken aktiv. Das heißt, diese Beziehung wirkt wie eine Drogenabhängigkeit und erzeugt angenehme Gefühle. Wer viel Zeit mit Gleichgesinnten verbringt, verspürt daher Hoffnung und Glück. Dieses Glücksgefühl will man natürlich nicht verlieren. Trennt man sich allerdings wieder von der Person oder Gruppe, löst das Schmerzen aus und wirkt wie ein Drogenentzug. Um diesen schmerzhaften Zustand zu vermeiden, bleibt man zusammen.
Menschen in diesem Zustand benötigten kaum Schlaf, sie vernachlässigen ihre Familie und Außenstehende, wie alte Freunde, sie überfluten ihre Gleichgesinnten mit Informationen, hängen vielleicht bis in die Morgenstunden am Internet, selbst Erwachsene verhalten sich wie Teenager. Sie sind nicht mehr sie selbst.
Der Grund für diesen Zustand, von dem einige wenige betroffen sind, ist für viele Außenstehende die Person X, denen die Betroffenen folgen, oder die Gruppe X oder die Idee X. Dahinter steckt vielleicht mehr, als eine Person, Gruppe oder Idee. Ich bin gespannt auf die Reaktionen der Leser/innen.