Hate Speech: Häufige Beleidigungen und wo die Meinungsfreiheit ihre Grenzen hat
„Dem Hass begegnen lässt sich nur, indem man seine Einladung, sich ihm anzuverwandeln, widersteht…“[1]
Eine beliebte Methode der Anstandslosen ist: Wer kein Argument hat, wird persönlich. Da es sich bei Streit zumeist um unsachgemäße Debatten zwischen Laien handelt oder wo zumindest der eine sachlich und der andere unsachlich argumentiert, kommt es immer an einem bestimmten Punkt zum Konflikt. Entweder spricht der eine dem Anderen die Kompetenz ab, mitreden zu können oder sie tun dies beide. Wenn dann der eine die besseren Argumente hat, fängt der Unterlegene an, sein Gegenüber persönlich zu attackieren. Wer nicht sachlich argumentieren kann, wird immer emotional. „Ihr Türken seid doch…“ oder umgekehrt „ihr Deutschen seid doch…“ oder „Du …“ heißt es im weiteren Verlauf.
Sollten hingegen kundige Personen miteinander streiten, dann können sie sich bereichern, zu Kompromissen oder gar zu einem Konsens gelangen. Das aber ist nur Sache der Vernünftigen und Klugen, nicht die der Unanständigen und Unwissenden. Und wer gibt schon gerne zu, unwissend zu sein?
Abgesehen davon, dass Beleidigungen keine Grenzen kennen, haben sie dennoch – zumindest rechtlich gesehen – Grenzen: Wer zu Gewalt aufruft, begeht eine Straftat und kann strafrechtlich verfolgt werden. Man kann zwar sagen: „Ich mag den Imam X oder die Moschee X nicht“, wer aber sagt: „Tötet den Imam X oder steckt die Moschee X in Brand“, begeht eine strafrechtlich relevante Handlung, die nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt ist (wie oben das Beispiel mit Thilo Sarrazin).
Häufige Beleidigungen, die man als Türke hört, sind: „Wenn es dir hierzulande nicht passt, dann pack die Koffer und ab in deine Heimat“. Für manche Facebook-Nutzer haben Türken kategorisch kein Recht auf Kritikäußerung. Jede Kritik – selbst wenn sie berechtig ist – wird mit Variationen des Kofferpackens gekontert. Und wenn jemand sagt: „Das hier ist meine Heimat“, heißt es gelegentlich auch: „Nur weil eine Ratte in einem Pferdestall geboren wurde, wird sie noch lange nicht zu einem Pferd“. Abgesehen davon, dass der Vergleich falsch ist, erinnert das an den Vergleich der Nazis von Juden mit Ratten. In dem Film „Inglourious Basterds“ heißt es unter anderem, Ratten und Eichhörnchen seien beide Nagetiere, man würde sie aber dennoch anders behandeln, wenn sie das Haus betreten würden. Nicht selten ist die Gegennarrative von Türken, Deutsche gerne als „Nazis“ zu beleidigen. Dabei handelt es sich bei Menschen mit solchen Charakterzügen, die gern pauschal beleidigen, eher um Rassisten (bzw. Kulturrassisten) und nicht immer um Nazis.
An diesem Punkt scheint mir aber wichtig zu sein, etwas stärker auf „Hate Speech“ (Hassrede) einzugehen. Hater sind zumeist „Trolle“ oder sogenannte „Glaubenskrieger“, die immer dieselben Dinge posten, von denen sie überzeugt sind, unabhängig vom Kontext. Zum Beispiel schreiben sie unermüdlich immer denselben Kommentar unter jeden Post. Somit versuchen sie ihre Themen durchzuboxen.
Unter Hate Speech versteht man die Herabsetzung und Verunglimpfung bestimmter Personen oder Gruppen. Hass ist eine Abstoßreaktion. Der Hass wiederum kommt nicht aus dem Netz, sondern aus den Köpfen.[2]
- Hass und „Hate Speech“
Unter Hate Speech versteht man die Herabsetzung und Verunglimpfung bestimmter Personen oder Gruppen. Hass ist eine Abstoßreaktion. Der Hass wiederum kommt nicht aus dem Netz, sondern aus den Köpfen.[3]
Hass gab es schon immer (siehe die Geschichte von Kain und Abel). Er durchzieht die Menschheit, wie Liebe. Wir müssen ihn dennoch nicht akzeptieren.
Hass wird allerdings immer häufiger, ungehemmter, unverschämter. Er braucht eine soziale Umgebung. Hasstäter kommen häufig aus bestimmten Milieus mit sozialer Unzufriedenheit. Mehr davon betroffen sind jene, die wenig in gesellschaftliche Entwicklungs- und Entscheidungsprozesse involviert sind. In Hass verdichtet sich Verachtung. Hass kommt ohne Verachtung nicht aus. Hasstäter verletzten allerdings die Würde und somit ein Grundrecht. Hasskriminalität wiederum gehört strafrechtlich zum politischen Extremismus (§ 46 StGB (2)).
- Hass im Netz: Filterblasen und Echokammern
Wir bewegen uns im Internet in „Filterblasen“, was die Abschottung befördert. Es gibt „Echokammern“, in denen immer wieder gespiegelt wird, was wir selbst von uns geben. Wir folgen lieber Leuten, die wie wir denken und unsere Meinung teilen. Das ist der „Echokammer-Effekt“.
Algorithmen sorgen dafür, dass uns vor allem Inhalte angezeigt werden, die wir höchstwahrscheinlich mögen (werden), weil wir schon einmal ähnliche Inhalte geliked haben. Das ist der „Filterblasen-Effekt“. Menschen können sich in der Echoblase-Filterkammer verfangen. Facebook wiederum ist eine „Blackbox“, da Facebook seine Algorithmen (was wonach bewertet wird) nicht offenlegt. Es gibt auch Social Bots („Roboter Armeen“). Das sind Maschinen, die – je nachdem, wie sie gefüttert wurden – auf bestimmte Kommentare reagieren. Hinter manchen Hasskommentaren stehen also nicht immer reale Menschen!
Studien nach hat der Hass nicht zugenommen, ist aber lauter geworden.[4] Die Kategorisierung und Stereotypisierung hat zugenommen. Dabei spielen auch Dekomplexität und Pseudointellektualität eine Rolle (die Suche nach einfachen Erklärungen). Des Weiteren ist eine Heraufbeschwörung einer Dystopie[5] (häufige Rede von Krieg und Bürgerkrieg) sowie eine Emotionalisierung (nicht mit Fakten, sondern mit Gefühlen überzeugen) feststellbar. Des Weiteren haben wir es mit Projektionen zu tun: Die Dinge, die einem nicht angenehm sind, werden auf andere projiziert. Die anderen werden zu Sündenböcken der eigenen Defizite gemacht. Beispiel: „Die nehmen uns unsere Arbeitsplätze weg“. Projektionen erkennt man an der Pauschalität ihrer Urteile. Sie begünstigen Feindseligkeiten.
3. Strategien gegen Hate Speech
Erst einmal ist wichtig, dass man sich nicht von apokalyptischen Bildern beherrschen lässt und eine Metaebene annimmt, um erklären zu können, was man sieht.
3.1 Handlungsalternativen (grüne, gelbe oder rote Karte verteilen):
- Abwegen, was man ignorieren kann und was man kommentieren will.
- Gelegentlich sich positionieren und seine Meinung sagen (z.B., dass man das, was gesagt wird, nicht teilt). Denn es gibt auch welche, die mitlesen.
- Wenn man argumentiert, sachlich bleiben.
- Moderieren
- Ironisieren
- Zumindest die Betroffenen von Hate Speech unterstützen (Partei ergreifen).
- Nicht nur an den anderen denken, der einen Beleidigt, sondern auch an sich selbst denken (was macht das Ganze auch mit mir).
- Persönlich anschreiben.
- Melden (siehe dazu unten die Adressen unter 3.3.4).
- Gegebenenfalls anzeigen.
- Irritieren: Je öfter jemand eine gegenteilige Meinung vertritt, umso wahrscheinlicher ist, dass jemand seine Sicht überdenkt.
3.2 Counter Speech (Fakten gegen Vorurteile):
- Mit Fakten argumentieren
- Sachlich und ohne Demütigung
- Nicht verzetteln lassen
- Grenzen setzten
3.3 Wie man Filterblasen durchbrechen kann:
- Authentisch
- Respektvoll
- Humorvoll (aber kein schwarzer Humor)
3.4 Wichtige Adressen
In Hamburg kann man unter https://www.polizei.hamburg/onlinewache/ eine Online-Strafanzeigen bei der Polizei machen.
Folgende Seiten können auch hilfreich sein:
www.jugendschutz.net: Eine Seite für rechtliche Überprüfungen.
www.denic.de: Hier kann man nach dem Eigentümer einer Seite suchen.
www.hoaxsearch.com: Dies ist eine Suchmaschine für Fake-News.
www.hoaxmap.org: Auf dieser Seite werden Gerüchte aufgedeckt.
www.reverse.photos: Hier macht man eine umgekehrte Bildersuche.
3.5 Literaturempfehlung
- Brodnig, Ingrid: Hass im Netz: Was wir gegen Hetze, Mobbing und Lügen tun können. Wien 2016
- Decker, Oliver; Kiess, Johannes; Brähler, Elmar (Hg.): Die enthemmte Mitte. Autoritäre und rechtsextreme Einstellung in Deutschland. Leipzig 2016
- Emcke, Carolin: Gegen den Hass. Frankfurt am Main 2016
- Schneider, Hans Joachim: Internationales Handbuch der Kriminalität. Berlin 2009, S. 299-314.
[1] Vgl. Emcke, Carolin (2016): Gegen den Hass, Frankfurt am Main, S. 18f.
[2] Siehe dazu auch das Video „Was Hass verstärkt“. https://www.youtube.com/watch?v=FvW6nx-6hHM
[3] Siehe dazu auch das Video „Was Hass verstärkt“. https://www.youtube.com/watch?v=FvW6nx-6hHM
[4] Siehe dazu die „Mitte-Studien“ der Universität Leipzig (aktuell: „Die enthemmte Mitte. Autoritäre und rechtsextreme Einstellung in Deutschland“). https://www.boell.de/sites/default/files/buch_mitte_studie_uni_leipzig_2016.pdf
[5] Eine Dystopie ist ein Gegenbild zur positiven Utopie (auch Anti-Utopie genannt). Sie ist in der Literaturwissenschaft eine fiktionale, in der Zukunft spielende Erzählung mit negativem Ausgang.