Hayati İnanç erzählt einem Minister:
Der Kalif Harun ar-Raschid hatte in seiner Begleitung ständig einen Mann Names Bahlul Dana. Bahlul war sein Name, Dana seine Eigenschaft. Was aber bedeutet Dana? Wie war also dieser Bahlul? Dana ist ein interessantes Wort. Auch das Wort Diwana leitet sich von Dana ab und bedeutet ein „Freund Gottes“ in der Gestalt eines „Verrückten“. Mal siehst du ihn als „Heiligen“, mal als „Verrückten“. Wenn du fähig bist, es zu erkennen, siehst du einen „Heiligen“.
Man sagt, dass es vier Arten von „Heiligen“ gibt:
Da gibt es jenen, wo sowohl jeder als auch er selbst weiß, dass er ein „Heiliger“ ist.
Dann gibt es jenen, wo es jeder erkennt, nur er selbst nicht.
Dann gibt es jenen, der es weiß, sonst weiß es niemand.
Dann gibt es jenen, wo weder er, noch jemand anderes davon weiß.
Einst hat sich ein Mann in Anatolien auf den Weg nach Istanbul gemacht. Er hatte gehört, dass es in Istanbul in der Yeni Camii eine Menge „Heilige“ geben soll. Deshalb wollte er in der Yeni Camii beten und hoffte auf eine Bekanntschaft mit einem „Heiligen“. Schließlich verging das Leben sehr schnell. So nahm er viele Mühen auf sich und befand sich irgendwann beim Gebet in der Moschee. Nach dem Gebet begann er mit der Lobpreisung Gottes und sprach in Gedanken: „So viele Mühen haben wir auf uns genommen. Wer weiß, ob ich noch einmal her kommen kann. Ob es wohl gerade jetzt hier einen dieser Heiligen gibt, den wir kennenlernen, um nicht umsonst hier gewesen zu sein?“ Jemand beugte sich zu ihm und flüsterte in sein Ohr: „In deiner Gebetsreihe befinden sich, inklusive deiner Person, sieben.“ Er wusste nicht, dass er selbst ein „Heiliger“ war. So einer war auch Bahlul Dana. Ein interessanter „Verrückter“ Gottes, in Anführungszeichen. Ständig sagte er zu Harun ar-Raschid verletzende Worte. Harun ar-Raschid, selbst ein junger Mann, wusste, dass Bahlul nie etwas Gutes sagte, aber ließ ihn auch nicht von seiner Seite entfernen. Er ertrug alles, was er sagte, diese Worte mit Dornen. Denn er wuste, dass der Dorn Botschafter der Rose ist. Es liegt an dir. Du kannst dich beschweren mit: „Da sind Dornen zwischen den Rosen“ oder dich dankbar zeigen mit: „Da sind Rosen zwischen den Dornen.“ Es liegt an dir. Es gibt sowohl Rosen als auch Dornen. Die Wahl liegt bei dir.
Harun ar-Raschid war ein junger Mann, der Bahlul ein Leben lang nicht von seiner Seite entfernen ließ. Was wusste er? Harun ar-Raschid sagte sich: „Er spricht ja nicht für sich. Er ist ein „Freund Gottes“. Er sagt, was er sagt, für das Wohlgefallen Gottes.“
Die Früheren sagen:
Das, was aus dem Munde kommt, kehrt vom Ohr zurück.
Was aus dem Herzen kommt, geht zum Herzen.
Manchmal sagen wir übereinander, dass wir nicht aufeinander hören. Aber sagst du auch, was immer du sagst, mit Aufrichtigkeit? Die Aufrichtigkeit im Herzen kennt nur Gott und du selbst. Aufrichtigkeit ist ein Geheimnis zwischen Gott und Seinem Geschöpf. Die Engel wissen es nicht, so dass sie es niederschreiben könnten, der Satan weiß es nicht, so dass er es zerstören könnte. Ein aufrichtiges Wort, das aus dem Herzen kommt, findet seinen Adressaten und trifft ins Herz. Gebende und Nehmende sind passend. Der Gebende ist reif und der Nehmende ist bereit.
Ich erzählte einem Minister:
Eines Tages rief Harun ar-Raschid Bahlul Dana zu sich und sagte: „Komm Bahlul! Ich mache dich zum Wesir.“ Wesir heißt Minister, Innenminister, um genauer zu sein. „Ich mache dich zum Wesir.“ Was würde jemand machen, der dieses Angebot bekommt? Normalerweise würde er sich freuen. Er würde sich bedanken. Er würde „jawohl“ sagen. Doch Bahlul sagte: „Mein Kalif, lasst mich erst beraten. Dann entscheide ich mich, so Gott will.“ Harun ar-Raschid fragte erbost: „Beraten? Worüber beraten? Ich bin der Regent. Das ist eine Ernennung. Mit wem willst du dich beraten?“ „Bitte, sprecht nicht so, eure Majestät. Lasst uns erst die Wissenden fragen. Ich möchte euch schließlich nicht beschämen.“ „Dann geh und berate dich schnell!“, sagte der Kalif. „Wir geben ihm eine Aufgabe und er will sich beraten. Ich erwarte schnell eine Antwort.“ Bahlul sagte: „Ich komme gleich wieder zurück“ und ging raus. Doch Harun ar-Raschid wurde neugierig. Zu wem ging Bahlul? Der Kalif beauftragte einen Diener: „Folge ihm auf Schritt und Tritt! Mit wem trifft er sich, was fragt er, welche Antworten bekommt er? Ich möchte über jedes Detail informiert werden!“ Also folgte ihm jemand wie ein Schatten. Bahlul Dana ging schließlich auf die Toilette und der Diener wartete vor der Tür. Als Bahlul wieder rauskam, sah der Diener in die Toilette hinein, ob dort jemand drinnen war. Aber die Toilette war leer. Bahlul kam schließlich zurück zum Kalifen und sagte: „Mein Kalif, ich habe mich beraten. Allerdings wurde es nicht als angemessen empfunden. Ich kann die Aufgabe nicht annehmen.“ Der Diener jedoch kam rein und sagte: „Eure Majestät, er lügt! Er hat sich mit niemandem beraten. Entschuldigt bitte, aber er ging auf die Toilette und kam wieder heraus. Da war kein Mensch. Er spielt nur ein Spiel. Scheinbar passt ihm das Amt nicht.“ Harun ar-Raschid verhörte Bahlul daraufhin: „Sieh, was über dich gesagt wird. Was sagst du dazu?“ „Das stimmt. Dort sind wir gewesen und haben uns dort beraten“, sagte er. „Und mit wem hast du dich dort beraten?“, sagte der Kalif. „Was immer dort auch passiert, die habe ich dort befragt“, sagte er. „Und was haben sie dir gesagt?“, fragte der Kalif. „Ich habe ihnen gesagt: Wisst ihr, mir wurde das Amt des Wesirs angeboten. Was soll ich tun? Sie haben gesagt: Bahlul, das weißt du sicher besser, aber wir hatten bis gestern ein gewisses Ansehen. Auf den Regalen der Basare waren wir sehr wertvolle Lebensmittel. Dann sind wir in das Innere eines Menschen geraten und sieh, was aus uns in nur einer Nacht geworden ist. Sei klug und trete nicht unter die Menschen“, haben sie mir gesagt. Harun ar-Raschid begann daraufhin an zu weinen.
Hayati İnanç sagt weiter: „Ich habe mich kurz gefragt, ob es überhaupt angemessen ist, dem Minister diese Geschichte zu erzählen. Aber was gesagt wurde, wurde bereits gesagt, doch der Minister hatte einen Lachkrampf. Dann habe ich mir gedacht: Gut, dann gibt es wohl keine Probleme. Aber die Freundlichkeit beiseite. Die Lehre aus der Geschichte lautet: Wir haben kein Mitleid mit Menschen, denen wir eine Aufgabe auftragen. Das ist unsere Natur. Deswegen ist eine Führungsposition so voller Verantwortung.“
Imam Abu Hanifa war einst auf dem Weg zum Morgengebet und es befand sich vor ihm, auf einem steinig-matschigen Weg ein etwa siebenjähriger Junge. Er sagte zu diesem: „Mein lieber Junge, sei vorsichtig. Falls du hinfällst, tust du dir die Knie weh!“ Der Junge drehte sich um und sagte: „O Imam! In Wirklichkeit musst du vorsichtig sein. Falls ich falle, tun mir nur die Knie weh. Falls du fällst, fällt die ganze Gemeinschaft der Gläubigen hinter dir?“ Der Imam fing an zu weinen und fragte sich: „Wer nur hat diesem Kind dies sagen lassen?“
„Ich sah“, erzählte Hayati İnanç weiter, „der Minister hörte mir weiter aufmerksam zu“, also erzählte ich noch ein zwei weitere Geschichten:
Eines Tages sah Bahlul Dana, dass der Thron von Harun ar-Raschid unbesetzt war und setzte sich drauf. Daraufhin wurde er von den Wächtern verprügelt. Dann hat er sich an einen Platz zurückgezogen und weinte. Dabei klagte er ganz laut: „Ach Harun, ach!“ Harun ar-Raschid kam und fragte: „Warum weint er?“ „Weil wir ihn verprügelt haben“, sagten sie. „Warum habt ihr ihn verprügelt?“, wollte der Kalif wissen. „Weil er sich auf euren Thron gesetzt hat.“ Der Kalif wandte sich daraufhin Bahlul zu und sagte: „Du hast dich auf meinen Thron gesetzt. Gut, du hast keinen Respekt vor mir, hast du denn nicht wenigstens Respekt vor dem Amt? Wenn du dich hier ohne Erlaubnis niederlässt, wirst du schließlich dafür bestraft. Du hast es im Grunde verdient, aber was mischt du mich da ein und klagst mit »Harun, Harun«?“ „Mensch Harun“, sagte Bahlul. „Sehe ich etwa wie jemand aus, der wegen ein paar Schlägen weint? Ich habe mich gerade mal eine Minute dort hingesetzt und siehe, wieviel Prügel ich bezogen habe. Du aber verbringst dein ganzes Leben dort. Ich weine um dich!“
Der Kalif Umar hatte jemanden beauftragt, ihn täglich an den Tod zu erinnern mit: „O Umar! Vergiss den Tod nicht!“ Täglich erinnerte ihn dieser gegen Lohn, an den Tod. Doch eines Tages hatte er den Mann von diesem Amt entbunden und sagte, dass er ihn nicht mehr erinnern brauche. Der Mann wollte wissen, was geschehen war und der Kalif sagte: „Mein Haar ist nun grau geworden. Der Spiegel erinnert mich nun täglich daran. Ich brauche dich deswegen nicht mehr.“
Die weißen Haare sind mit der Erde verlobt. Wir erwarten euch auch zur Hochzeit, so Gott will. Gott hat uns ein Verlobungsring (graues Haar) gegeben. Lange liefen wir ohne Ring durchs Leben.
Die Augen Haruns waren oft voller Tränen, denn es gab Bahlul und dessen Aufgabe war es, ihn sehr oft zum Weinen zu bringen. Tränen sind Barmherzigkeit. Wer weint, erreicht sein Ziel.