Unsere Sufimusik
Die Poesie, eine verborgene Schönheit in der Seele des Universums und ein Lächeln der Harmonie in der menschlichen Seele. Die Musik jedoch, gleich einem lächelnden Klopfen an das Tor der Ewigkeit.
Die Poesie, ein Abhorchen des Jenseits, und die Musik, der weinerliche Klang dieses Klopfens.
Der Körper ist für sie nur ein Weg. Sie ist auf der Suche allein nach jenen von Liebe erfüllten, ledigen Herzen.
Musik ist in Wahrheit nichts anderes, als die Ernte der Verliebten. Und die Träne ist die Perle der Liebesbriefe, welche den Worten schmollen. Die anmutige Schönheit ist sie, welche die Ruchlosigkeit des Sünders und die Liebe des Verliebten vermehrt.
Die Tonart Hüseyni bewegt, begeistert den Menschen. Betrachte den Sonnenuntergang bei der Tonart Uşak. Bei der Eviç ist unser Herz eine Vogelfeder, die bei der Mahur dem Horizont entgegen in den Himmel steigt. Bei der Rast verändert sich die Jahreszeit, du kostest die Morgendämmerung, Schluck für Schluck. Bei der Hicâz schweigt die Zunge, die Büselik bringt dich zum Weinen.
Unzertrennlich unser Herz von der Unendlichkeit, von nichts anderem Zufriedenzustellen unsere Seele, als von der Ewigkeit, ständig das Jenseits umarmend. Ist Musik nicht in Wirklichkeit ein alles umgebender Duft der Rosen des Trennungsschmerzes?
Ihre Erde so rein, ihr Wasser so klar, und wenn der Same zum Vorschein tritt, kann man nicht satt werden von dem Duft dieser Rosen, nahe den Quellen des Wissens.
Sie, die mit ihrer Liebe zu Allah und zum Propheten strömt, ist wie ein Gülistan (Rosengarten), dessen Nachtigall singen, den Herzen Freude und den Augen Licht schenkend.
Unsere Sufimusik; tief im Inneren gefüllt mit dem Feuer des Hüdâyi, der Begeisterung des Niyâzi, der Zuneigung des Yunus, der Liebe des Mevlana und dem Atem unzähliger anderer Verliebter.
Die sich in unserer klassischen Musik befindende religiöse Musik, wird eingeteilt in Moschee- und Tekke- (Derwisch-Kloster) Musik. Diese beiden, eigentlich voneinander unzertrennlichen Richtungen, haben, abhängig von Ort und Anlass, ihren besonderen Stil. Es kann gesagt werden, dass die Moscheemusik mehr frommer Natur ist. Die Sufimusik hat neben dieser frommen Natur, Werke, die einen lyrischen Inhalt haben. Neben dieser Besonderheit, enthält jede mystische Musik die Feinheiten jener Sufischule, aus der sie stammt. Zum Beispiel in der Halvetiya und durch den Zusammenschluss der Halvetiya mit der Kadiriya, entstand die Ehrung wehrend der Rotation, so dass in ihrer Musik auch eine feurige und lebhafte Bewegung existiert. Neben dieser Bewegung, welche die Lobpreisung (zikr) erfordert, begegnet man bei diesen Sufiorden auch einigen langsamen musikalischen Werken. Wir sehen, das die schönsten Kompositionen unserer klassischen Musik, wie die „durak“ (langsame Werke, die zwischen dem zikr in den Klöstern gesungen werden) und „teşvih“ (Werke, welche die Versteile des mevlüd schmücken) in der Regel von den Musikern dieser Sufiorden stammen.
In der Celveti Musik existiert lediglich eine sanfte Bewegung. Wir beobachten in ihr eine Feinheit, die zur Demut und Ehrfurcht einlädt. Man spürt in den Kompositionen der Musiker dieser Tarîqa eine förmliche Schwere.
Die Rezitationsgesänge des Mesnevi sind die wertvollsten Schätze unserer klassischen Musik. Aus diesem Grunde haben selbst jene Musiker, die keinen Bezug zur Mevleviya hatten, versucht, ihre Geschicklichkeit an jenen Rezitationsgesängen zu messen. Schließlich können diese Rezitationsgesänge als die schwierigste Form der türkischen klassischen Musik bezeichnet werden.
Bei vielen Sufiorden werden während der Lobpreisungen verschiedene Musikinstrumente benutzt. Bei einigen Orden wird während der Nennung des „İsm-i Celâl“ die mit der Hand gespielten Trommel „Bender“, „Kudüm“, „Halile“ und Rohrflöte „Ney“ gespielt. In den meisten Orden dominiert jedoch die Tonmusik.
In jener Zeit, als in der Türkei die Derwisch-Klöster offen und die Aktivitäten der Sufiorden erlaubt waren, hatte jede Tarîqa ihren eigenen zikr-Stil. Diese Lobpreisungen begannen immer nach der Verlesung ihrer sich ständig wiederholenden Gebete. Es existierte eine bestimmte Komposition, an der sich alle Derwische beteiligten. Nach den Gebeten folgten die Lobpreisungen. Während die Derwische den zikr sprachen, sangen die Sänger unter der Leitung ihres Gesangsleiters „ilâhis“. Zum Gesangsmeister wurde man erst, wenn man den Text und die Komposition von mehreren Tausend „ilâhis“ auswendig konnte. Des weiteren musste er die Besonderheiten des zikr kennen, eine schöne Stimme haben und die Kunst des Dirigierens beherrschen. Die Methode und die Melodie musste er entsprechend dem Verlauf des zikr gestalten. Der Gesangsleiter hatte die Texte entsprechend dem aktuellen Monat im islamischen Mondkalender zu wählen. Zum Beispiel wurden in den Monaten Muharram und Safar „ilâhis“ gewählt, die teilweise Traueroden enthielten, welche an den Tod Hussains erinnerten. Für jeden Monat gab es „ilâhis“, welche seine Besonderheit hervorhoben. Es wurden „ilâhis“ gesungen, welche die Lobpreisungen „Kelime-i Tevhid“, „İsm-i Celâl“ und „Devrân“ (Rotation) enthielten. Schließlich achteten die Komponisten bei ihren Texten darauf, dass diese den Lobpreisungen entsprachen. Die Gesangsleiter trugen die Gesänge auswendig vor, ohne Noten oder einen Text zu benutzen. Jemandem, der nicht mindestens vier bis fünf Tausend „ilâhis“ auswendig konnte, überließ man keine Gesangsleitung.
Es wird sogar überliefert, das in der Zeit des Kalifen Ahmed III. einem Sänger mit dem Namen „der bucklige Hâfiz“, der 3000 ilâhis konnte, die Gesangsleitung des Nureddin Cerrâhi Klosters in der Ortschaft um Edirnekapı übergeben wurde. Dies hatte die anderen Kloster in Erstaunen versetzt, so dass einige enttäuscht meinten: „Was für Zeiten müssen wir noch erleben?“
Allein dieses Beispiel, wo jemand kritisiert wird, weil er nur 3000 ilâhis konnte, zeigt, wie reich die Sufimusik ist.
Die sich heute in unserer Hand befindenden ilâhis wurden von jenen wertvollen Menschen in Istanbul aber auch anderen Teilen der Türkei gesammelt, die wir unter den Titeln Hâfiz, Mevlidhan, Zâkir oder Zâkirbaşı kennen.
Es ist notwendig, um auch die künftigen Generationen im Geiste dieser Sufimusik zu erziehen, ihre Werke zu Lernen, Lehren und zu Publizieren. Der selige Rauf Yekta Bey, welcher berühmt wurde durch seine zahlreichen Werke, weist mit folgendem Zitat auf die Bedeutung der Sufimusik hin: „Ohne Zweifel wird unsere Musik einen großen Nutzen aus den Kloster ilâhis ziehen.“
Die größten Genies unserer klassischen Musik wuchsen in der Osmanischen Zeit, insbesondere im 15.-16. Jh. heran. Neben der geistigen Bildung, die in den Sufiklostern betrieben wurde und ihrem sozialen Wert, entstanden in ihnen die Konservatorien der großen Komponisten.
In unserer klassischen Musik gehören die Komponisten der schönsten Werke in der Mehrheit zu eine der genannten Sufiorden. Viele, die unsere Musik kennen und lieben, haben dies festgestellt und betont. Auch in den christlich geprägten Kulturen ist festzustellen, dass die berühmtesten Komponisten der klassischen Musik, aus den Kirchen stammen. Auf diese Realität wies der virtuose „Neyzen“ (Rohrflötenspieler) Niyazi Sayın mit folgenden Worten hin: „Die eigentliche Belebung der Musik begann mit der religiösen Musik. Dies war auch im Westen so.“
Unsere großen Komponisten, einschließlich İtri Dede Efendi, die unserer klassischen Musik ihren Stempel aufgedrückt haben, wurden alle im Geiste der Sufi-Orden erzogen. Des Weiteren waren es die Derwisch-Klöster, durch die unsere Literatur mit Yunus Emre und Şeyh Gâlib bereichert wurde. Auch ist bekannt, das Hammâdizâde Dede Efendi, der zu den Meistern unserer Musik zählt, aus einer Tariqa-Schule stammt.
Das „Tekbir“, des Buhirizâde Mustafa İtri Efendi, das auf der Tonart „H“ basiert (Segah Tekbir`i), wird von vielen Komponisten als das größte künstlerische Motiv der Welt anerkannt. Vielleicht ist sie sogar die am häufigsten gesungene Melodie.
Im Laufe der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Erschütterungen am Ende des 19. und am Anfang des 20. Jhs. wurde auch im Bereich der Musik, aufgrund des eher mündlichen Charakters der Osmanischen Zivilisation, lediglich ein kleiner Teil der vorhandenen Werke überliefert.
– Wie viele Sufiwerke haben wir heute?
Dies zu beantworten ist leider nicht möglich. Da man die Kompositionen des 19. und 20. Jhs. nicht gesammelt und niedergeschrieben hat, haben wir heute vielleicht gerade mal 1000 „ilahis“. Die Zahl der Werke, die in Moscheen und Klöstern vorgetragen wurden und zu denen Noten existieren, ist sogar noch geringer. Dabei werden die in den Klöstern des 17.-19. Jhs. gesungenen no`t, teşvih, ilâhi, şugl (arabischsprachige ilahis) und durak auf mehrere Tausend geschätzt.
Dankbar sind wir für die Sammlung, Überlieferung und Veröffentlichung einiger dieser Werke durch Rauf Yekta Bey, Selahaddin Gürer Bey und Ali Riza Şengel Bey, die inzwischen alle verstorben sind und Cüneyd Koşal und Yusuf Ömürlü.
Ohne Zweifel wird unsere Sufimusik, die ihren besonderen Platz in unserer klassischen Musik und in der klassischen Musik der Welt hat, in künftigen Generationen, einen wichtigen Beitrag zur Frömmigkeit und zur „ilahi“ Begeisterung leisten. Es liegt nun an uns, jene Werke, die uns vorliegen zu erhalten und sie in der schönsten Weise vorzutragen.
Wir erhoffen die Fürbitte unseres Propheten Muhammad, des besten Lehrers der göttlichen Liebe, und das Wohlwollen jener wertvollen Menschen, die seine Erben sind.
(Übersetzt aus dem Türkischen. Quelle: Anonym)