Moin Moin!
Nach der Islamkonferenz: Was hat Hamburg davon?
Ich habe eine Einladung zu Hamburg 1 für den 04. Dezember bei „Schalthoff live“ (19.30 Uhr) erhalten.
Thema: „Nach der Islamkonferenz: Was hat Hamburg davon?“
Unter anderem, weil ich Urlaub habe, habe ich die Einladung weitergeleitet.
Mein erster Gedanke bei dem Titel war jedoch: Hamburg ist bereits viel weiter als die „Deutsche Islam Konferenz“ (DIK).
Die Verantwortlichen wären gut beraten, wenn sie von Hamburg lernen würden, denn Hamburg ist ein „Best Practice Beispiel“!
Die Verantwortlichen der DIK laden zwar seit 2006 aus vielen Bundesländern, teilweise die üblichen Verdächtigen ein, die sich debattenkulturmäßig seit Jahren im Kreis drehen. Vielleicht sollten sich die Verantwortlichen irgendwann mal nach Hamburg drehen. Dann würden sie nämlich sehen:
Es funktioniert auch ohne eine DIK!
1. Hamburg ist eine Hafen- und Weltstadt. Hier ist Vielfalt eine Selbstverständlichkeit und gehört zur Normalität.
2. 1949 wurde in HH von deutschen/autochthonen Muslimen die DEUTSCHE MUSLIM LIGA gegründet, die dann 1954 in das Vereinsregister der Stadt HH eingetragen wurde. Die Liga ist somit die älteste Vereinigung von Muslimen in Deutschland.
3. Muslime kamen in den 1950er Jahren nach Hamburg, allerdings als Studenten und nicht als „Gastarbeiter“. Diese haben es vor allem durch den Teppich-Handel zu Wohlstand gebracht.
4. Die muslimische Community befindet sich in der 4. Generation und ist sehr pluralistisch (aus über 60 verschiedenen Ländern) und es gibt auch viele deutsche MuslimInnen.
5. In vielen Moschee-Vorständen der 51 Moscheen hat sich ein Generationswechsel vollzogen. In vielen Vorständen sitzen deutschsprachige AkademikerInnen.
6. 1995 wurden die Muslime von christlicher und staatlicher Seite am Religionsunterricht beteiligt. Das ist einmalig in der Geschichte der BRD. MuslimInnen werden seitdem an der konzeptionellen Entwicklung des RU, an der Beratung und Fortbildung der LehrerInnen sowie am Unterricht beteiligt.
7. Es gibt kein Kopftuchverbot an Schulen, weil die politischen Verantwortlichen dies als eine „Schattendebatte“ erkannt haben.
8. 2004 haben Muslime gemeinsam mit staatlichen und christlichen Institutionen erstmals in der Geschichte der Stadt eine Broschüre für die Arbeit mit muslimischen SchülerInnen und Eltern erarbeitet (siehe „Vielfalt in der Schule“), in der schulspezifische Fragen gemeinsam behandelt werden.
9. In einigen Moscheen wird in deutscher und in mehreren teilweise auch in deutscher Sprache gepredigt.
10. 1999 wurde die Schura-Hamburg gegründet, in der Sunniten und Schiiten vertreten sind (einmalig in der Geschichte der BRD). Die Schura hat derzeit 54 Mitgliedsvereine (darunter 31 Moscheen von Muslimen aus aller Welt).
11. Es gibt regelmäßige Imam-Konferenzen, an denen alle Imame der Schura teilnehmen.
12. 1999 wurde in Hamburg das „Interreligiöse Forum“ mit allen Weltreligionen gegründet. Das Forum gibt seitdem einen interreligiösen Kalender mit den Festen aller Religionen heraus.
13. 2002 wurde das Islamische Wissenschafts- und Bildungsinstitut e.V. gegründet, das in seiner Ausrichtung in Deutschland einmalig ist (unter anderem Angebote für Imame, Ärzte, Bundeswehroffiziere, LehrerInnen, ErzieherInnen, Elterm Jugendliche, PolizistInnen und FlüchtlingshelferInnen).
14. 2002 gab es den ersten „Tag der Weltreligionen“ in Hamburg. Erstmals in der Geschichte der BRD.
15. 2007 hat der Oberbürgermeister der Stadt (Ole von Beust, CDU) die Muslime mit dem Satz: „Ich weise keine Hand, die mir ausgestreckt wird, zurück“ ins Hamburger Rathaus zu Verhandlungen zu einem Staatsvertrag eingeladen.
16. 2010 wurde eine Akademie der Weltreligionen gegründet (ebenfalls einmalig in der Geschichte der BRD). In ihr wurde auch eine Professur für Alevitentum gegründet (einmalig in der Geschichte der BRD).
17. Muslime sind mit ihren Moschee-, Jugend-, Frauen- und Studentenvereinen teilweise sehr gut untereinander sowie in ihren Stadtteilen vernetzt und teilweise in verschiedenen Dialog-Foren und Stadtteilbeiräten aktiv.
18. In einigen Stadtteilen treffen sich Imame und PastorInnen seit Jahren regelmäßig.
19. Die Teilnahme von Moscheevereinen an Stadtteilfesten oder Imamen an Schulanfängergottesdiensten ist eine langjährige Selbstverständlichkeit.
20. Es gibt Fort- und Weiterbildungsangebote für MuslimInnen (in Religionspädagogik, Mediation oder Präventionsarbeit).
21. Muslime sind Träger von drei Präventionsprojekten in der Stadt („Al Wasat – Die Mitte“, „Think Social Now 2.0“ und „Kamil).
22. Seit 2015 sind Muslime Mitglied des Beratungsnetzwerkes „Prävention und Intervention“ an der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration.
23. Es gibt ein jährliches, öffentliches Ramadan-Pavillon.
24. An Hochschulen gibt es Iftar-Veranstaltungen der IHG.
25. An der Universität Hamburg gibt es einen Raum der Stille.
26. So, wie es seit den 1990er Jahren einen guten Dialog zwischen Moscheen und Kirchen gibt, gibt es auch einen guten Dialog zwischen Muslimen und Juden. Dazu gehören Projekte wie der gemeinsame Besuch von Imamen und Rabbinern an Schulen.
27. Es war Hamburg, in dem erstmals ein „Vereint im Islam“ Event mit BesucherInnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz auf die Beine gestellt wurde.
28. Erstmals in Hamburg wurde 2013 ein Staatsvertrag mit Muslimen abgeschlossen.
29. Aktuell sitzen wir an einer Handreichung für BehördenmitarbeiterInnen zum Thema: „Religionssensibilität“.
Zusammengefasst lässt sich sagen: Sei es auf gemeindlicher Moschee-Ebene, auf politischer, schulischer oder interreligiöser Ebene; es gibt unzählige positive Beispiele, die inzwischen zur Hamburger Selbstverständlichkeit gehören, weswegen viele HamburgerInnen immun bzw. resilient sind gegen ideologisierte Schwarz-Weiß-Maler, die das gesellschaftliche Klima vergiften wollen und die m. E. eigentlich ihren eigenen Interessen dienen als den Interessen der Gesellschaft.
Auf der anderen Seite wären das 29 Gründe dafür, warum es sich lohnt, als Muslim/in Hamburg zu leben!
Das sind allerdings meine spontanen Beispiele, die sicherlich noch ergänzt werden können.