„Solange die Kanaken sich gegenseitig abstechen, juckt mich das nicht“, so der Kommentar eines Mannes, auf den gestrigen (12.04.12) Vorfall am Jungfernstieg.
Mein Sohn (12) ist schockiert, als er das von einem Mann hört, während dieser mit einem anderen Mann an unserem Wagen vorbeigeht.
Opfer sind eine (deutsche) Frau und ein einjähriges Baby. Eine ehemalige Praktikantin von mir stand zwei Meter daneben und hat den gesamten Tatverlauf miterlebt. Sie war die erste, die die Polizei alarmierte und versuchte mit ihrem Schal Erste-Hilfe zu leisten. Die weiteren Details möchte ich den LeserInnen ersparen, denn es fällt mir schwer, diese in Worte zu fassen. Vermutlich wird sie eine psychiatrische Behandlung benötigen.
Ich frage mich aber, wer heilt jene, wie diesen Mann, dem die Ermordung von Menschen nicht juckt, wenn diese einen Migrationshintergrund haben (sollten), wobei das auf diese Opfer nicht zutrifft. Das mag zwar an der Fehlinformation liegen, denn zumindest dann, wenn er erfahren haben sollte, dass die Opfer Deutsche waren, wird es ihn vermutlich doch mehr als nur jucken.
Das Ganze offenbart jedoch sehr viel darüber, wie Rassisten ticken. Solche Menschen sind der Liebe nicht fähig, würde der Psychoanalytiker Fromm sagen. Für ihn ist die Grundlage der Nächstenliebe, die Liebe zu den Hilflosen, den Armen, den Fremden. Die Art der „Arbeitsteilung“, bei der man zwar die eigene Familie liebt, für den „Fremden“ jedoch nichts empfindet, sei ein Zeichen für die grundsätzliche Unfähigkeit zu lieben.
Wir müssen unseren Kindern demnach auch die Liebe zum Fremden beibringen, damit sie später nicht solche Äußerungen tätigen, zumal ihre Zungen das Übersetzen, was sich in ihren Herzen befindet.
Wenn mich als türkischen Muslim, nur das Leid von Türken und Muslimen kümmert und ich für alle anderen Opfer nichts oder weniger empfinde, dann stimmt etwas mit meinem Herzen nicht und ich benötige mehr als nur eine psychiatrische Behandlung!
Jeder jedoch, der von diesem grausamen Vorfall gehört und dabei Mitleid und Trauer empfunden hat, ohne sich auch nur im Geringsten Gedanken über die Herkunft von Täter und Opfer zu machen, dessen Herz ist gesund!
Ich wünsche uns allen die nötige Kraft, solche Nachrichten zu verdauen, aber auch dem Rassismus in unserer Gesellschaft mit Schrift, Wort und Tat entgegenzutreten!
Mögen die Betroffenen diesen Schmerz so schnell wie möglich überwinden!