Wann ist es Terror?
Ich glaube, ich spreche auch im Namen vieler, wenn die schlechten Nachrichten endlich aufhören und unsere Seelen wieder etwas Ruhe finden sollten. Dass tun sie aber leider nicht. Ich möchte aber einen (aktuellen) Vorfall aus Zürich aufgreifen, um auf etwas grundsätzliches hinzuweisen.
1. Terror
Da es keine allgemein anerkannte Definition des Terror-Begriffs gibt, hat nahezu jedes Land seine eigene Definition von Terror (siehe https://web.archive.org/web/20060819045030/http://www.gtcentre.unsw.edu.au/Publications/docs/pubs/terrorismDefinitions.pdf#search=%22terrorism%20%22legal%20definition%22%20%22). D.h., was in der Türkei Terror ist, muss demnach hierzulande kein Terror sein und umgekehrt.
Gemäß der Resolution 1566 des UN-Sicherheitsrats sind Straftaten gegen Zivilpersonen, die mit der Absicht begangen werden, den Tod oder schwere Körperverletzungen zu verursachen, mit dem Ziel, eine Bevölkerung, eine Gruppe von Personen oder einzelne Personen in Angst und Schrecken zu versetzen, eine Bevölkerung einzuschüchtern oder eine Regierung oder eine internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen zu nötigen, Terrorismus. Gemäß dieser Definition wäre auch die Bombardierung von Zivilisten durch Staaten = Terror (vgl. http://www.un.org/depts/german/sr/sr_04-05/sr1566.pdf).
Psychoterror oder Telefonterror können wir deshalb besser einordnen, weil sie einen ganz konkreten Kontext haben. Aber bei Terrorismus ist es weitaus komplizierter.
Problematisch ist, wenn Taten, die das selbe Muster aufweisen, unterschiedlich betitelt werden. Dann spricht man von einem Doppelstandard. Besonders für junge Menschen ist diese Vorgehensweise von Medien und Politik verwirrend.
Würde z.B. ein Somali in einer Kirche in Zürich, Christen beim Gebet erschießen, würde man da nicht sofort von einem terroristischen Hintergrund ausgehen? Umgekehrt ist jedoch ein Schweizer als Terrorist undenkbar, oder? Kommt eben auf die Definition(en) an. Laut UN-Sicherheitsrat wäre das eine Terrortat („Straftaten gegen Zivilpersonen, die mit der Absicht begangen werden, den Tod oder schwere Körperverletzungen zu verursachen…“).
2. Bluttat, aber kein Terror
„Die Bluttat in einer Moschee in der Schweiz war möglicherweise der Akt eines tief verwirrten Menschen. Bislang schließt die Polizei einen terroristischen Hintergrund aus“, heißt es in mehreren Berichten zum aktuellen Vorfall (siehe: http://www.badische-zeitung.de/suedwest-1/motiv-fuer-schuesse-in-der-moschee-in-zuerich-unklar-okkultismus–131474451.html). Hier eine Linksammlung zur Tat: http://www.nachrichten.de/event/17542/742491
3. Anschläge gegen Moscheen, aber kein Terror
Als am 26.09.16 vor der Tür eines Dresdner Imans eine Bombe explodierte, fand sich in den Berichten kein Hinweis auf Terror gegen Muslime oder gegen islamische Einrichtungen. Durchgehend war von einem „Bombenanschlag“ die Rede. Gemäß UN-Sicherheitsrat wäre das aber Terror („…eine Gruppe von Personen oder einzelne Personen in Angst und Schrecken zu versetzen…“).
Die Statistik der Anschläge gegen Moscheen ist lang (und jährlich steigend, im Schnitt einmal pro Woche) sowie die Übergriffe auf Muslime (vor allem Musliminnen mit Kopftuch). Diese werden aber nicht unter der Rubrik „Terror“ geführt, sondern unter „Fremdenfeindlichkeit“: http://www.sueddeutsche.de/politik/fremdenfeindlichkeit-moscheen-in-deutschland-werden-haeufiger-ziel-von-anschlaegen-1.3181276.
4. Körperverletzung, aber kein Terror
Straftaten gegen Muslime werden oft nicht als Islamfeindlichkeit, sondern in der Regel als „Körperverletzung“ betitelt (siehe z.B. den Vorfall in Kiel vom 05.07.16: http://www.mopo.de/umland/voellig-unvermittelt-mann-schlaegt-muslimin-mit-kopftuch-faust-ins-gesicht-24349120).
– Wann aber wird eine Straftat als Terror betitelt?
– Welchen Definitionen folgen Journalisten, „Terrorismus-Experten“ oder Politiker?
Der Vergleich der hiesigen Berichterstattung erweckt den Eindruck, dass Straftaten von Menschen mit Verdacht auf eine Verbindung zum Islam, vorschnell als Terror bezeichnet, aber Straftaten, in denen Muslime selbst die Opfer sind, als „Fremdenfeindlichkeit“ oder „Körperverletzung“ betitelt werden.
Entweder reden wir auch bei Menschen mit muslimischem Hintergrund von Taten verwirrter Menschen oder wir reden von Terror, auch wenn die Täter keine Muslime sein sollten. Mit anderen Worten: Nicht die Herkunft, sondern die Tat muss ausschlaggebend dafür sein, ob etwas als Terror oder etwa als Bombenanschlag oder Körperverletzung bezeichnet wird.