- Erkenntnisse aus der kultursensiblen Arbeit:
Was in der kultursensiblen Arbeit wichtig ist: Hintergrundwissen, Empathie, Selbstreflexion und Interaktion (z.B. „Fragen stellen“).
Beispiele gibt es sehr viele, aber ich nehme mal was populäres und das Beispiel kam mir eben auf dem Weg vom Freitagsgebet zur Arbeit (also spontan):
- Thema: Kopftuch
- Kategorie A: Fettnäpfchen
Häufigste Frage: „Warum trägst Du Kopftuch?“ (Form: Direkt und daher wenig sensibel)
Empfohlene Antwort: „Warum nicht?“ (oder alternativ: „Ich fahre Cabriolet“)
Ebenfalls häufig: „Wurdest Du dazu gezwungen?“ (Form: Anmaßend und völlig unsensibel)
Auch häufig: „War das Deine freiwillige Entscheidung oder wurdest Du dazu gezwungen?“
Empfohlene Antwort: „Was würdest Du sagen, wenn ich »ja« sage und was, wenn ich »nein« sage?“ (oder alternativ: „Ja, zur Schule wurde ich auch gezwungen.“)
Frage: „Ihr immer mit euren Kopftüchern!“ (Form: Anklagend und völlig unsensibel)
Empfohlene Antwort: „Nicht immer, nur in der Öffentlichkeit, privat ohne“.
Nicht selten: „Hast Du eine Glatze?“ (Form: Neugierig und hart an der Grenze zur Unsensibilität) – Word unterstreicht das letzte Wort gerade rot (hmmm….?)
Antwort: „Willst Du eine ehrliche Antwort?“ (oder alternativ: „Kannst Du die Wahrheit auch wirklich ertragen?“)
Frage: „Duschst Du auch damit?“ (Form: Sehr intim, eventuell zu neugierig, aber zumindest lustig)
Empfohlene Antwort: „Nein“ (oder alternativ: „Nein, und schlafen tu ich damit auch nicht“)
Frage: „Hast Du geheiratet?“ (Form: Neugierig)
Empfohlene Antwort: „Du, da gibt es keinen kausalen Zusammenhang“ (oder alternativ (lächelnd): „Und was wäre wenn?“)
Frage: „Seit wann trägst Du Kopftuch?“ (Form: Neugierig)
Empfohlene Antwort: „Seit …“ (oder alternativ: „Seit …“)
Behauptung: „Ohne Kopftuch hast Du aber schöner ausgesehen“ (Form: Beleidigend und völlig unsensibel)
Empfohlene Antwort: „Und Sie würden mit Kopftuch schöner aussehen.“ Keine alternative Antwort!
Frage: „Ist euch nicht zu heiß darunter?“ (Form: Neugierig und etwas unsensibel)
Empfohlene Antwort: „Willst Du es mal ausprobieren?“ (oder alternativ: „Ja“ hehe)
- Kategorie B: Kultursensibilität
Frage: „Wo kauft ihr immer diese schönen Tücher?“ (Form: Neugierig aber freundlich)
Keine empfohlene Antwort vorhanden, denn das wisst ihr eh besser als ich 🙂
Frage: „Zeigst Du mir mal bei Gelegenheit, wie man ein Kopftuch anlegt?“ (Form: Neugierig und freundlich)
Empfohlene Antwort: „Warum eigentlich nicht“.
Frage: „Ich will Dir ja nicht zu nahe treten und es tut mir leid, wenn das jetzt wie ein Klischee herüber kommt, aber Alice Schwarzer hat gesagt, dass…“ (Form: Sensibel)
Empfohlene Antwort: „Interessant!“ (oder alternativ: „Wer ist Alice Schwarzer?“)
Frage: „Was hat Dich dazu motiviert, ein Kopftuch zu tragen?“ (Form: Neugierig und freundlich)
Keine empfohlene Antwort, denn auch das wisst ihr besser als ich.
Falls jetzt jemand fragt, warum der Ali denn (als Mann) über das Kopftuch schreibt:
1. Der Ali verteidigt – wie der Prophet (Friede sei mit ihm) – Frauenrechte!
2. Der Ali hat seit 1992 mehrere hundert Vorträge zum Islam gehalten und knapp 200 Fortbildungsseminare für LehrerInnen durchgeführt und hat seit 1992 mehr als 600 Moscheeführungen gemacht und dieses Thema kam in 99 von 100 Begegnungen vor.
3. Der Ali hat darüber mehrere Tausend Seiten gelesen und kennt anthropologische, religiöse, kulturelle, soziale, historische und individuelle Gründe für das Kopftuch.
4. Der Ali hat etwas gegen die Diskriminierung von Musliminnen!
Und 5. Der Ali hat auch einmal Kopftuch getragen:
Die Tochter meiner Schwester war noch sehr klein und hat sich vor mir erschreckt (ich weiß auch nicht warum). Aber sie mussten sie fast 15 Min. trösten, bis sie wieder ruhig wurde. Als sie mich das zweite Mal sah, weinte sie erneut. Meine Schwester bat mich dann, mich nicht mehr zu zeigen. Da ich aber der Gastgeber war, konnte ich mich nicht verdrücken, also kam mir die Idee, ein Kopftuch zu tragen und es funktionierte. Die Kleine sah mich zwar immer sehr skeptisch an, aber weinte nicht mehr. Kurz bevor sie ging, durfte ich sie sogar streicheln 🙂
Und falls jemand mal einen Vortrag oder ein Workshop mit Ali über das Thema haben möchte, kann der Ali auch gerne bei euch vorbeikommen!