Prof. Hans Fischer: „Es gibt mehr Definitionen von »Kultur« als es Kulturen gibt“.
Ich studierte am Seminar für Geschichte und Kultur des Vorderen Orients, aber über „Kultur“ lernten wir irgendwie gar nichts. Weil mich aber der Kultur-Begriff so sehr interessierte, wählte ich Ethnologie (Völkerkunde) als Nebenfach. Mein erstes Seminar hatte ich in „Einführung in die Ethnologie“ bei Prof. Fischer. Das war so interessant (und unterhaltsam), dass ich das Seminar im übernächsten Semester erneut besuchte.
Was mich am meisten faszinierte war der radikale Respekt vor allen(!) Kulturen. Wir lernten, das die Menschheit sich nicht linear entwickelt (vom Primitiven zum Modernen), weil es heute noch Menschen gibt, die wie vor 10.000 Jahren lebten. „Das Primitive“ war jedoch nicht etwas Negatives, sondern das, was am Anfang da war.
„Die Moderne ist so kompliziert. Früher aß man mit der Hand. Heute hat man so unterschiedliches Besteck. Wissen sie überhaupt wofür das alles benutzt wird?“, fragte uns Prof. Fischer lächelnd.
Wir lernten, dass der Unterschied zwischen Mann und Frau „graduell“ ist, also nicht im Geschlecht, sondern in der jeweiligen körperlichen und geistigen Entwicklung begründet ist.
Er berichtete unter anderem von seiner einjährigen Feldforschung in der Südsee (als Voraussetzung für die Promotion in Ethnologie). Als er dort landete, warteten die Einheimischen bereits auf ihn. „Wir haben Dich bereits erwartet“, hätten sie ihm gesagt. „Woher?“, soll er überrascht gefragt haben. Dann hätten sie ein Bild von der Schauspielerin Doris Day hervorgeholt (Prof. Fischer hatte auch sehr helles, blondes Haar), die die amerikanischen Soldaten im 2. Weltkrieg dort zurückgelassen hatten. Er hatte also einen sehr guten Start 🙂
Es folgten Seminare bei anderen Dozenten zu „Diffusionstheorien“, über die „Ethnologie Nordafrikas“ oder über die „Tuareg Nomaden“. Das Studium war so faszinierend, dass ich mir damals sagte: „Hätte ich gewusst, wie toll Ethnologie ist, hätte ich es als Hauptfach gewählt.“