Prof. Olaf Schumann: „…die Eile ist vom Satan.“ الْعَجَلَةُ مِنَ الشَّيْطَانِ
Als ich 1992 mein Studium der Islamwissenschaften an der Universität Hamburg begann, war ich etwas enttäuscht. Ich war – wie viele damals – so naiv zu glauben, dass die Professoren Muslime seien. Unser Studium hatte mit dem Islam als Religion nichts zu tun. Modernes Hocharabisch, Landeskunde, Geschichte, aber weder Koran, noch Sunna, noch Theologie…
Dann sah ich 1993 im Vorlesungsverzeichnis der Religionswissenschaften ein Seminar „Theologie im Islam“ von Prof. Olaf Schumann. Ein christlicher Professor, der einige Jahre in Ägypten verbracht hatte und in der letzten Stunde dieses Seminars den StudentInnen (ich war der einzige muslimische Student) folgendes mit auf den Weg gab: „Egal mit welcher Religion sie sich befassen, gehen sie immer seriös und respektvoll mit ihr um!“ Dieser Satz hat mich dermaßen beeindruckt, dass ich beschloss Religionswissenschaften als Nebenfach zu wählen. Im Laufe der Jahre folgten Seminare über „Islam in Andalusien“, „Mystik im Islam“ oder „Islam in Südost-Asien“. Schließlich endete das Ganze mit meiner mündlichen Prüfung über Alevitentum und das nestrorianische Christentum bei Prof. Schumann.
Prof. Schumann, immer ruhig und mit einem Lächeln im Gesicht, hatte ein Motto: „Al-Adjalu min asch-Schaitan“. Das sagte er jedesmal, wenn er es langsam angehen wollte.
In seinem Wohnsitz in Witzwort (Schleswig-Holstein) hatte er eine eigene Orchideen-Zucht. Indonesien war hingegen so etwas wie eine zweite Heimat für ihn. In den Semesterferien war er immer dort und sprach auch fließend indonesisch.
Über den Islam als Religion hatte ich bei ihm mehr gelernt, als bei meinen Professoren der Islamwissenschaften. Das sagte ich in meiner Rede zu seinem Abschied in der Missionsakademie an der Universität Hamburg. Er hatte Tränen in den Augen, obwohl er mir kurz vorher sagte: „Bringen Sie mich ja nicht zum Weinen.“ Ich schätzte ihn nicht nur als Wissenschaftler, sondern liebte ihn auch als diesen respektvollen Menschen, der selbst großen Respekt verdiente.
Er war Kuratoriumsmitglied des von mir 2002 gegründeten Islamischen Wissenschafts- und Bildungsinstituts und ist nach seiner Emeritierung nach Malaysia (Kota Kinabalu (Sabah, Malaysia)) ausgewandert.
Mit einer Erinnerung möchte ich auch diesen Text hier beschließen, obwohl ich so viel mehr über ihn erzählen könnte: Wir befanden uns auf einer Tagung im Christian Jensen Kolleg Anfang 2000. Ein Pastor sagte: „Ich habe versucht, Gott mit »Allah« anzubeten, aber ich konnte mich nicht überwinden.“ Prof. Schumann meldete sich zu Wort und sagte: „Millionen koptische Christen beten Gott täglich mit »Allah« an.“
Seit 2015 lebt er auf Bali.