„Wenn jemand die islamische Kultur angegriffen hat, habe ich sie immer verteidigt. Denn ich liebe die islamische Kultur.“
Prof. Gernot Rotter war ein bekennender Atheist, der 2010 verstarb. Ich bin jedoch noch nie einem Menschen begegnet, der häufiger „Auzu billah“ (ich suche Zuflucht bei Gott) sagte. Das war seine typische Reaktion auf Erstaunenswertes, ähnliche wie Archimedes „Heureka!“ Als ich 1993 durch den berühmten Basar von Damaskus ging, sah ich ihn am Toreingang eines alten Hauses stehen. „Sie hier in Damaskus?“ sagte ich. „Ich reise mindestens einmal im Jahr nach Damaskus“, sagte er. Er bereiste diese Gegend bereits seit den 1970er Jahren. Lebte er noch, würde ihn das gegenwärtige Leid von Damaskus vermutlich sehr traurig machen.
Meine Magisterarbeit hat er gemeinsam mit Prof. Olaf Schumann (Religionswissenschaften) betreut.
Für meine mündlich Abschlussprüfung wollte ich das Thema „Minderheitenrecht im Islam“ behandeln. Er sagte mir sofort: „Davon habe ich keine Ahnung. Machen Sie doch die Entstehung der Rechtsschulen im Islam“. Ich antwortete ihm: „Aber da brauche ich mich ja gar nicht vorbereiten“ und er sagte: „Ach, Sie bekommen eh eine eins.“ „Wenn das so ist, brauchen wir ja gar keine Prüfung“, sagt ich scherzhaft und er sagte: „Doch, doch. Das müssen wir schon“.
Kurz vor meine Prüfung öffnete er meine versiegelte Akte und sah sich meine vorherigen Noten an: „Sie haben ja nur Einsen“, sagte er erstaunt. „Dann wollen wir mal hoffen, dass das auch so bleibt“, sagte ich. „Dann müssen wir bei der Prüfung aber höhere Ansprüche ansetzen“ ergänzte er lächelnd.
Er war zwar mein Doktorvater, konnte aber aus Krankheitsgründen meine Arbeit nicht betreuen. „Sterben Sie endlich, damit ich einen anderen Doktorvater nehmen kann“, sagte ich ihm einmal scherzhaft. „Sie wissen doch, dass Unkraut niemals vergeht“, antwortete er mir lächelnd. Er war ein sehr guter Methodiker und ich erinnere mich gerne zurück an einen interessanten Satz von ihm: „Ich bin zwar kein Muslim, wenn jemand aber die islamische Kultur angegriffen hat, habe ich sie immer verteidigt. Denn ich liebe die islamische Kultur.“